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Aktualisierung des Falls am 22.02.2019: Interventionsmaßnahmen ergänzt
Veröffentlichung des Falls am 02.10.2018

Art des Zwischenfalls

Ein RTW wird mit dem Stichwort "Kollaps" zu einem Patienten alarmiert, welcher selbst die Tür öffnet und über massive Brustschmerzen bei bekannter manifester koronarer Herzerkrankung klagt. Vitalparameter/Diagnostik: RR 190/125; HF 170; SpO2 93%; Senkungen in V2-V5, avF. Nähere Informationen zur Tachykardie liegen nicht vor (QRS-Breite, P-Wellen, Regelmäßigkeit etc.). Nach der Notarzt-Nachforderung legt die RTW-Besatzung einen i.v.-Zugang und bereitet den Transport des Patienten vor.

Der Notarzt verabreicht neben der üblichen ACS-Medikation Metoprolol zur Frequenzkontrolle, jedoch ohne Erfolg, und entscheidet sich dann zum Transport. Die Therapieoption der Kardioversion zur Rhythmus- / Frequenzkontrolle wird nicht diskutiert, obwohl man aus dem Meldetext eine entsprechende Indikation ableiten könnte.

Der Melder beschreibt seine Beobachtungen und Überlegungen hierzu wie folgt:
"Weder NA noch RTW Besatzung bemerken (kommunizieren) die Indikation zur Kardioversion, obwohl mindestens ein Besatzungsmitglied (Melder) des RTW mit dem Algorithmus gut vertraut ist und sowohl die Begriffe "ACS" als auch "Tachykardie" mehrmals bei den Behandlern gefallen sind. Vermutlich wurde durch die Fixierung auf das "alltägliche" Notfallbild "AP mit ST-Veränderungen" und die damit verbundene Routine (ACS-Medikation, Einladen, Chest Pain Unit-Anfahren) das offensichtliche zwar aufgenommen, aber nicht wahrgenommen bzw. bearbeitet. Vermutlich wäre bei der Alarmierung zum Meldebild "Tachykardie" mit demselben Patientenzustand eine andere (die richtige) Behandlung verfolgt worden (Kardioversion + ACS-Behandlung). Der Melder (Teamführer RTW) hatte während des gesamten Einsatzes das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Erst als der Einsatz jedoch schon lange vorbei ist erkennt er die Problematik."

Zudem wurde der Notarzt als barsch und unfreundlich empfunden, was nach Ansicht des Melders das Team aus der Ruhe gebracht und kritisches Denken aus Angst vor Konflikten unterdrückt haben könnte. Außerdem verweist der Melder auf die Tatsache, dass der Einsatz von vier Angehörigen aufmerksam beobachtet wurde.

 

Ursache

Kernproblem des Falls

Der Melder weist auf ein Nicht-Erkennen oder ein aus anderen Gründen Nicht-Verfolgen einer möglichen kausalen Therapie-Option bei einem kardial instabilen Patienten hin.

 

Fehlerbegünstigende Faktoren (nach London-Protokoll):

  • arbeits- und umfeldabhäng:
    • Erhöhter Druck auf das Team durch vier beobachtende Angehörige.
  • teamabhängig:
    • Ein als wenig teamorientiert wahrgenommener Notarzt könnte das aktive Hinterfragen der Arbeitsdiagnose unterdrückt haben.
  • individuell:
    • Eine Kardioversion bei einem wachen Patienten setzt eine Kurznarkose voraus, was in der Summe höhere Anforderungen an das Team stellt.
  • patientenabhängig:
    • Die klinische Präsentation (akuter Brustschmerz, EKG-Veränderungen) ist mit einem akuten Koronarsyndrom vereinbar. Die bekannte KHK deutet ebenfalls in diese Richtung.

 

Fehlerhafte Vorgänge:
Die Behandlung hat sich der Meldung zufolge auf die übliche ACS-Therapie fokussiert, möglicherweise getriggert durch die bekannte KHK seitens des Patienten. Die Tachykardie wurde durchaus als solche erkannt, jedoch offenbar als Folge des ACS gewertet und mit einem ß-Blocker therapiert, allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.
Es wäre jedoch auch eine andere Herangehensweise an den Fall denkbar gewesen: Die Tachykardie könnte als auslösendes Ereignis für die Myokardischämie gewertet werden. Entsprechend den ERC-Leitlinien zu den Peri-Arrest-Arrhythmien wäre bei der instabilen kardialen Situation dem zufolge die elektrische Kardioversion das Mittel der Wahl.

Welcher der beiden Ansätze letztendlich der zutreffende war, lässt sich aus der Meldung nicht ableiten. Für das Team ist jedoch wichtig, beide Möglichkeiten im Laufe der Behandlung fortwährend gegeneinander abzuwägen (möglichst in einer offenen Diskussion - z. B. auch speaking up), und das zum jeweiligen Zeitpunkt wahrscheinlichere Szenario als Grundlage für die Therapie heranzuziehen. Eine mögliche Technik hätte in diesem Fall eine kurze Besprechung im Team nach dem 10-für-10-Schema anhand der ABCDE-Abfolge sein können. Eine solche offene Teambesprechung scheint nicht erfolgt zu sein, was aus Sicht einer Human Factors-Analyse als Fixierungsfehler gewertet werden könnte.

 

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • Der Fall könnte sich gut als Szenario eines Simulationstrainings eignen, um Techniken des Crew Resource Managements bzw. Human Factors-Aspekte einzuüben.

 

Von der Steuerungsgruppe am 12.02.2019 beschlossene Interventionsmaßnahmen

  • Die AG 6 - Fortbildung soll zum Sachverhalt informiert werden zwecks Möglichkeit der Aufnahme von in CIRS-Meldungen beschriebenen kritischen Ereignissen als Notfall-Szenarien in Simulationstrainings.

 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass nicht jede durch ein AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahme auch durch die Steuerungsgruppe beschlossen werden kann. Die Ursache hierfür ist in der Regel fehlende Umsetzbarkeit aus finanziellen oder rechtlichen Gründen. Die Steuerungsgruppe ist in einem solchen Fall bemüht, durch Abwandlung der Interventionsmaßnahme eine Umsetzbarkeit herzustellen. Auch dies ist jedoch nicht in jedem Fall möglich.

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