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Veröffentlichung des Falls am 16.07.2018

Art des Zwischenfalls

In zwei CIRS-Meldungen wird geschildert, dass ein selbstfahrender Notarzt zu einem Notarzteinsatz alarmiert wird. Der neue Einsatzauftrag wird im Display des Navigationsgerätes jedoch nicht dargestellt (laut einer der beiden Meldungen wohl mangels Funkempfang), und der selbstfahrende Notarzt wählt den letzten gespeicherten, vom Vorgänger aber bereits abgearbeiteten (Alt-)Einsatz aus. Demzufolge wird er vom Navigationsgerät auch nicht zum aktuellen, sondern zum letzten Einsatzort gelotst.

 

Ursache

Fehlerbegünstigende Faktoren (nach London-Protokoll):

  • organisations- und managementabhängig:
    • Wenn nach Alarmierung des Notfallrettungsmittels innerhalb eines definierbaren Zeitintervalls (häufig 2 Minuten) kein Ausrücken erfolgt, wird durch die ILS zur Sicherheit in der Regel eine erneute Alarmierung durchgeführt. Im konkreten Fall könnte sich der Notarzt dadurch möglicherweise unter Zeitdruck gesetzt gefühlt und in diesem Zusammenhang versehentlich den bereits abgearbeiteten Einsatzauftrag reaktiviert haben.
    • Nach der Bestätigung der Einsatzübernahme („Status drei“) geht die ILS mutmaßlich davon aus, dass der korrekte Einsatzort angefahren wird. Prinzipiell besteht zwar für den Disponenten die Möglichkeit, die Fahrzeugposition per GPS auf dem Bildschirm zu verfolgen, jedoch ist dies praktisch nicht für alle Einsätze gleichzeitig durchführbar.
  • aufgaben- und prozessabhäng:
    • Die vielerorts gängige Praxis, bei der Annahme eines Notfallauftrages diesen per Funkspruch zu wiederholen, fand vermutlich keine Anwendung.
    • Hinweis bezüglich Verfügbarkeit und Verwendung von Richtlinien und Verfahrensanweisungen: FMS-Richtlinie der Bayerischen Staatsregierung
  • arbeits- und umfeldabhängig:
    • Die Uhrzeit der Alarmierung wird bei der Darstellung des Einsatzauftrages auf dem NAVI-Bildschirm nicht besonders prägnant hervorgehoben. Eine Verwechslung mit einem alten Einsatzauftrag ist dadurch prinzipiell möglich.
    • Der selbstfahrende Notarzt musste sich ohne NEF-Fahrer sowohl um die rein logistische Seite des Einsatzes (Kommunikation mit der ILS, Einsatzentgegennahme) als auch um den medizinischen Part kümmern.
    • Ein Ausfall des GPS-Systems des Rettungsmittels ist beispielsweise durch schlechten Funkempfang durchaus möglich.
    • Die Uhrzeit der Alarmierung wird bei der Darstellung des Einsatzauftrages auf dem NAVI-Bildschirm nicht besonders prägnant hervorgehoben. Eine Verwechslung mit einem alten Einsatzauftrag ist dadurch prinzipiell möglich.
    • Die Darstellung aktueller Einsätze und archivierter Einsätze unterscheidet sich lediglich durch die Uhrzeit in der Auflistung. Alte Einsätze werden visuell nicht deutlich als solche gekennzeichnet.
    • Gerade in ländlichen Regionen oder in Regionen mit starker Bebauung ist mit schlechtem Funkempfang, ggf. auch mit Fehlfunktion oder Ausfall eines GPS-Gerätes zu rechnen.
  • teamabhängig:
    • Wenn die zur Verfügung stehenden verschiedenen Kommunikationskanäle nicht genutzt werden, um wichtige Informationen wie z.B. den korrekten Einsatzort rückzuversichern, kann eine sichere Kommunikation gefährdet werden.
    • Die Aufgabenteilung zwischen NEF-Fahrer und Notarzt kann zu einer Entlastung und damit zu einer Senkung der Fehlerquote im zeitkritischen Einsatz führen. Im dargestellten Fall war der Notarzt als Selbstfahrer auf sich alleine gestellt.
  • individuell:
    • Zeitdruck und Stressbelastung des Personals im Notarzt- und Rettungsdienst können es begünstigen, dass wichtige Informationen, die zwischen ILS und Rettungsmittel ausgetauscht werden, falsch interpretiert werden oder verlorengehen.

Fehlerhafte Vorgänge:

  • Die Übersendung des aktuellen Einsatzortes an das GPS-Gerät des NEF fiel in den beiden dargestellten CIRS-Berichten aus.
    • Grundsätzlich ist eine technische Fehlfunktion oder ein Ausfall des GPS-Gerätes gerade bei mangelhaften Empfangsbedingungen in ländlichen oder stark bebauten Gebieten möglich.
  • Dem selbst fahrenden Notarzt fiel nicht auf, dass er den letzten gespeicherten, vom vorher diensttuenden Kollegen aber bereits abgearbeiteten Einsatz fälschlicherweise auswählte und diesen Einsatzort auch anfuhr.
    • Der abgeleistete Einsatz wurde nicht aufgrund der angezeigten Uhrzeit als „alt“ erkannt.
    • Der bereits abgearbeitete Einsatz war nach Schichtwechsel nicht aus dem GPS-Gerät gelöscht worden, was die Verwechslung erst ermöglichte.
    • Eine mündliche Auftragsbestätigung des Notarztes gegenüber der ILS, die den Irrtum noch vor Ausrücken hätte aufklären können, wird nicht berichtet.

Mögliche Barriere-/Abwehrmechanismen:

  • Der ILS stehen für die Übermittlung von Notfallaufträgen und Einsatzorten unterschiedliche Informationswege zur Verfügung, beispielsweise Analog- und Digitalfunk, Festnetz, Alarm-Fax, Mobilfunknetz und das im Rettungsmittel verbaute Navigationssystem, das direkt mit Einsatzdaten versorgt werden kann.
  • Die Wiederholung eines Notfallauftrages durch die Besatzung eines Rettungsmittels kann Kommunikationsfehler ausschließen.
  • In vielen Bereichen im Notarzt- und Rettungsdienst kann eine klare Aufgabenteilung beim Fachpersonal eine Entlastung bewirken. So ist beispielsweise häufig vereinbart, dass der gesetzlich vorgesehene NEF-Fahrer sich primär um die logistische Seite des Notarzteinsatzes, somit auch um die Einsatzannahme und die Kommunikation mit der ILS kümmert. Der Notarzt ist in dieser Konstellation um solche Aufgaben entlastet und kann sich primär seinen ärztlichen Aufgaben widmen. Gerade unter Zeitdruck und in Stresssituationen kann dies vorteilhaft sein.

 

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • Bei der Entgegennahme von Notfallauftragsdaten ist große Sorgfalt erforderlich und auf eventuelle Widersprüche (u.a. Uhrzeit) zu achten.
  • Die geschilderten Fälle zeigen, dass auch im Zeitalter von Digitalfunk und Datenübertragung auf das Navigationssystem ein Restrisiko für Kommunikationsfehler bzw. Verwechslungen bleibt. Aus diesem Grunde könnten grundsätzlich Notfallaufträge vom Rettungsmittel per Sprache wiederholt und von der ILS bestätigt werden.
  • Spätestens am Schichtende sollten archivierte Einsätze aus dem GPS-System des Rettungsmittels vom Fahrzeugführer gelöscht werden.
  • Der Einsatz eines NEF-Fahrers könnte dazu beitragen, durch Aufgabenteilung und interne Absprachen eine Entlastung des NEF-Teams zu gewährleisten und so möglicherweise durch Zeitdruck und Stress begünstigte Fehlerquellen reduzieren.
  • Ggf. könnte über eine softwareseitige Lösung erreicht werden, dass bereits abgearbeitete Einsätze noch deutlicher als solche in der Einsatzliste gekennzeichnet sind.

 

Hinweis

Über die vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. deren Umsetzung entscheidet die Steuerungsgruppe im Rahmen einer der nächsten Sitzungen. Anschließend werden nötigenfalls Änderungen innerhalb der beteiligten Organisationen und Institutionen getroffen. Bitte beachten Sie, dass die Lösungsvorschläge nicht immer bzw. nicht immer zeitnah und in gleicher Form für ganz Bayern umgesetzt werden können.

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