ALERT am 20.11.2015
Art des Zwischenfalls
In einem Notarztdienstbereich wurde das Medikament Vomex A 62 mg /10 ml gegen das Medikament Dimenhydrinat-hameln 6,2 mg / ml ausgetauscht. Inhaltlich sind beide Medikamente identisch. Im Ampullarium zeigte sich aber eine große Ähnlichkeit der Ampulle Dimenhydrinat mit der Ampulle Fentanyl 0,5 mg / 10 ml: Stellt man die beiden Ampullen direkt nebeneinander, sehen sich von der Kennzeichnung zum Verwechseln ähnlich. Beides sind Glasampullen 10 ml mit einem Papieretikett, worauf der Name des Medikamentes auf einem umlaufenden braunen Rand steht. Beide Medikamente werden häufig auch bei bestimmten Patientengruppen (wie z.B. Herzinfarkt) gleichzeitig eingesetzt, allerdings unterscheiden sie sich in der Dosierung (Volumen). Und genau hier könnte es bei Nacht, schlechten Lichtverhältnissen und einer gewissen Hektik an der Einsatzstelle zur Verwechslung kommen.
Ursache
Ähnlich aussehende Ampullen ("look-alike") können in der Stresssituation eines Einsatzes (Zeitdruck, persönliche Faktoren, Lichtverhältnisse etc.) zu Verwechslungen führen. Bei diesen beiden Medikamenten kommt hinzu, dass die beiden Medikamente nicht selten bei ein und dem selben Patienten gleichzeitig verabreicht werden. Das verabreichte Volumen der Einzeldosis ist jedoch stark unterschiedlich: 5 - 10 ml unverdünnter Fentanyllösung könnten zumindest zu einem schwerwiegenden Zwischenfall führen.
Interventionsmaßnahmen
Aufgrund der außerordentlich hohen Relevanz und den damit verbundenen Konsequenzen für den Patienten bei Verwechslung dieser beiden Medikamente wurde die Meldung als Alert eingestuft. Eine Information der Steuerungsgruppe wurde bereits vom Anonymisierungsteam durchgeführt, eine bayernweite Warnmeldung erstellt und an alle Rettungsdienstorganisationen weitergeleitet. Grundsätzlich müssen alle Mitarbeiter auf die Ähnlichkeit der Ampullen hingewiesen werden. Die BTM sollten zusätzlich in einem gesonderten Behältnis aufbewahrt werden, so dass Fentanyl bewusst entnommen wird. Weiterhin sollten gerade dann, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig in einem Einsatz verwendet werden, auf eine exakte Kennzeichung der aufgezogenen Spritzen geachtet werden. Die aufziehende Person sollte sofort entweder vorgefertigte Aufkleber verwenden oder die Spritzen gut lesbar mit Medikamentennahme, Konzentration und ggf. Verdünnung beschriften. Zusätzlich sollte immer das Vier-Augenprinzip bei der Vorbereitung und Verabreichung von Medikamenten im Einsatz angewendet werden, um Verwechslungen gerade in Stressituationen zu vermeiden. Die von der AG Medikamente des ÄLRD-Ausschusses empfohlenen Ettiketten sollten standardmäßig zur Kennzeichnung der vorbereiteten Spritzen verwendet werden. Alternativ ist es natürlich ebenso möglich, dass eines der beiden Medikamente von einem anderen Hersteller bezogen wird, dessen Ettikett sich optisch deutlich unterscheidet. Wenn immer möglich, sollte auf die Verwendung sich sehr ähnlich sehender Ampullen verzichtet werden.
Weitere Anregungen finden sich z. B. auch unter http://www.divi.de/empfehlungen/empfehlung-zur-kennzeichnung-von-spritzen.html
Auf den Internetseiten des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. ist eine Übersicht über ähnlich aussehende/klingende Medikamente ("look-alike/sound-alike") zu finden: https://www.adka-dokupik.de/index.cfm?CFID=92545170&CFTOKEN=41373785&pt=Down_Cat_Liste&cat_id=72A855FD-E227-E85F-6960345B971E7686.
Der vorliegende Fall wurde im Rahmen der Bearbeitung dort bereits dokumentiert.
Im Anhang finden Sie in den beigefügten PDF weitergehende Informationen bezüglich Vermeidung von Medikationsfehlern.
Hinweis
Die vorgeschlagenen Interventionsmöglichkeiten wurden von der Steuerungsgruppe von cirs.bayern diskutiert und anschließend nötigenfalls Änderungen innerhalb der beteiligten Organisationen und Institutionen getroffen. Bitte beachten Sie, dass die Lösungsvorschläge nicht immer bzw. nicht immer zeitnah und in gleicher Form für ganz Bayern umgesetzt werden können.
Anhang
- 1203_Empfehlung_DGAI_Überarbeitung_2012_Spritzenkennzeichnung-1-1
- Emmerton und Rizk - 2012 - Look-alike and sound-alike medicines risks and ‘solutions'
- Guide on Handling LASA
- WHO Aide-Memoire LASA