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Veröffentlichung des Falls am 11.12.2019

Art des Zwischenfalls

RTW und NEF werden mit der Meldung „Stromunfall - Suizidversuch mit Notstromaggregat“ alarmiert. Ein zeitgleich alarmierter HvO meldet kurze Zeit nach der Alarmierung, dass beim Patienten bereits eine ausgeprägte Leichenstarre vorliegen würde. Das NEF trifft zuerst ein. Der Notarzt bittet den NEF-Fahrer, trotzdem das EKG mit an den Einsatzort zu nehmen. Auf dem Weg dorthin vergewissert sich der Notarzt, dass der Stromkreis unterbrochen ist und erhält die Auskunft, das Notstromaggregat sei bereits „von alleine ausgegangen“ gewesen. Am Patienten ist die Leichenstarre an den Händen nicht mehr lösbar, auf den ersten Blick sind keine Verletzungen an den ohne Bewegung des Körpers zugänglichen Körperteilen sichtbar. Es fallen tiefrote („kirschrote“) Leichenflecke auf. Neben dem offensichtlich Toten steht das Notstromaggregat ohne Kontakt zum Körper. Weiterhin fällt eine große Plastikabdeckung auf, die wohl über den Patienten und das Notstromaggregat gestülpt war, aber bereits von den Angehörigen entfernt worden war. Der Notarzt entschließt sich daraufhin, sich wegen des V.a. eine Kohlenmonoxidvergiftung sofort mit der kompletten Mannschaft zurückzuziehen. Im selben Moment trifft der Fahrer des NEF mit dem EKG ein, an dem der CO-Warner befestigt ist, der sofort laut Alarm gibt. Ein Wert von über 300 ppm wird angezeigt.

 

Ursache

Durch das Meldebild ist es wohl zu einer gefährlichen Fixierung der beteiligten Einsatzkräfte auf einen „Stromunfall“ gekommen und die Eigengefahr durch Kohlenmonoxid (CO) wurde erst im Verlauf erkannt.
Es kann aus der vorliegenden Schilderung nicht beurteilt werden, wie präzise und strukturiert die Abfrage der ILS geführt wurde, ob die Meldung über Dritte kam und ob bereits der Einsatzsachbearbeiter der ILS Hinweise für einen Kohlenmonoxidaustritt hätte erlangen können.
Allerdings wurde in diesem Fall offensichtlich ein rein rettungsdienstliches Schlagwort gewählt und damit nur ein „RD2“ disponiert, da der Melder von einer Nachalarmierung der Feuerwehr berichtet. Bei Wahl des Schlagworts „Person-Stromunfall“ wäre zumindet die Feuerwehr parallel alarmiert worden. Ein Schlagwort zu Kohlenmonoxid existiert im aktuellen Schlagwortkatalog nicht. Hinweise dazu müssten im Freitextfeld eingetragen werden.

HvO und Notarzt hatten sich in der Folge trotz grundsätzlich umsichtigen Verhaltens in eine Gefahrenzone begeben. Insbesondere, wenn der Patient noch keine sicheren Todeszeichen gehabt hätte und vom HvO vor Ort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet worden wären, hätte dies zu einer relevanten Gefährdung des Personals führen können.

CO ist farb- und geruchlos. CO-Warner sind ein wertvolles und zuverlässiges Hilfsmittel zur frühzeitigen Erkennung von Kohlenmonoxid in der Umgebung.  Diese Geräte können natürlich nur dann rechtzeitig warnen, wenn sie auch von der ersteintreffenden Kraft am Notfallort personennah mitgeführt werden. Einsatzkräfte der organisierten ersten Hilfe sind oft nicht mit einem CO-Warngerät ausgestattet.

Grundsätzlich soll jede Einsatzkraft auf den erforderlichen Eigenschutz achten und potentielle Gefahren wahrnehmen können (4S-Schema: Scene, Safety, Situation, Support). Insbesondere Helfer der organisierten Ersten Hilfe sollten intensiv für dieses Thema sensibilisiert werden, weil sie meistens als erstes an der Einsatzstelle eintreffen.

Für den öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst gibt es eine Empfehlung des Rettungsdienstausschusses Bayern zur flächendeckenden Vorhaltung von CO-Warnern auf bayerischen Rettungsmitteln. Der Ort der Vorhaltung des Geräts wird landesweit uneinheitlich gehandhabt. Wie allerdings auch dieser Einsatz zeigt erfüllen die Geräte nur dann Ihren Zweck vollständig, wenn diese auch von der ersteintreffenden Person mitgeführt werden.

  

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • Disponenten der ILS sollten bezüglich möglicher Notfälle mit CO-Austritt sensibilisiert und geschult werden und möglichst schon bei der Notrufannahme. Hinweise auf CO erkennen und bei der Alarmierung weitergeben.
  • Die Disponenten sollten für Einsätze mit Gefärdungspotential bezüglich der Schlagwortwahl sensibilisiert und geschult werden
  • Für Hinweise auf einen Kohlenmonoxidaustritt sollte ein eigenes Schlagwort etabliert werden.
  • Die Alarmierungsplanung für Ersthelfergruppen sollte jeweils lokal überprüft werden. Ersthelfergruppen sollen nicht zu Einsätzen, die voraussichtlich mit einem hohen Gefährdungspotential für Helfer verbunden sind, alarmiert werden. (Bekanntmachung des StMI vom 27.04.2011, Leitfaden für die Tätigkeit örtlicher Einrichtungen organisierter Erster Hilfe)
  • Schulung und Sensibilisierung der Ersthelfergruppen und der Mitarbeiter des Rettungsdienstes zum Thema Gefahren durch Kohlenmonoxid.
  • Explizite Schulung und Sensibilisierung der Ersthelfergruppen bezüglich Sicherheit an der Einsatzstelle (4S-Schema: Scene, Safety, Situation und Support).
  • Es sollte von den Einsatzkräften sichergestellt werden, dass das CO-Warngerät immer vom ersteintreffenden Mitarbeiter körpernah mitgeführt wird (https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/fachbereiche_dguv/fb-fhb/feuerwehren/infoblatt_07.pdf).
  • Es sollte von den Verantwortlichen für die Ersthelfergruppen im Rahmen einer Gefährdungsanalyse geprüft werden, ob die Vorhaltung von CO-Warngeräten angezeigt ist.

 

Diese Meldung wird inhaltlich verantwortet vom Leiter des AAT 4, Dr. Martin Kraus.

 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass nicht jede durch ein AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahme auch durch die Steuerungsgruppe unmittelbar beschlossen werden kann. Nach erfolgter Beratung über die vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. deren Umsetzung und unter Berücksichtigung finanzieller oder rechtlicher Aspekte werden nötigenfalls Änderungen innerhalb der beteiligten Organisationen und Institutionen getroffen. Die Steuerungsgruppe ist in einem solchen Fall immer bemüht, durch Abwandlung der Interventionsmaßnahme eine Umsetzbarkeit herzustellen. Leider ist dies jedoch nicht in jedem Fall möglich.
Bitte beachten Sie auch, dass die Lösungsvorschläge nicht immer bzw. nicht immer zeitnah und in gleicher Form für ganz Bayern umgesetzt werden können.
Aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit sind die von der Steuerungsgruppe beschlossenen Maßnahmen nicht einzeln bei der jeweiligen Meldung aufgeführt, sondern als Übersicht unter Interventionsmaßnahmen.

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