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Veröffentlichung des Falls am 11.04.2019

Art des Zwischenfalls

Während des Transportes eines extrem unreifen Frühchens der 24 + 0 SSW kam es zu einem deutlichen Absinken der Körpertemperatur des Patienten. Dies ereignete sich, obwohl die Inkubatortemperatur, die standardmäßig initial 35°C betrug, während des Transportes kontinuierlich bis auf die ohne Übertemperaturalarm maximal mögliche Temperatur von 37,9 °C erhöht worden war.

 

Ursache

Die Problematik dieses Transportes beginnt bereits bei der Transport-Indikation. Extrem unreife Frühgeborene sollten nach Möglichkeit gar nicht transportiert werden, auch wenn sie sich „nur“ in einem Perinatalzentrum Level 2 befinden und dort eigentlich nicht versorgt werden dürften. Ist das Kind aber stabil, ist es dort besser versorgt als in einem Rettungswagen. Ein Transport in den ersten Lebenstagen erhöht die Wahrscheinlichkeit für Hirnblutungen drastisch (s. Abbildung, aus "An analysis of neonatal morbidity and mortality in maternal (in utero) an neonatal transports at 24-34 weeks`gestation. Shlossman PA, Medical Center of Delaware, USA (Am J Perinatol 1997)"). Solche Transporte sind nur indiziert, wenn das Kind einer Therapie zugeführt werden muss, die in der Geburtsklinik nicht verfügbar ist. Platzmangel kann keine Begründung für eine Verlegung sein.

Nun zum Problem der Hypothermie: Der Thermoneutralbereich eines Neugeborenen liegt bei 32°C, der eines Frühchens deutlich darüber. Es ist nicht so einfach Richtwerte zu finden, wie der Inkubator in Abhängigkeit der Schwangerschaftswoche einzustellen ist. Hier wäre eine Rückfrage beim Hersteller sinnvoll. Aus Erfahrung kann angegeben werden, dass Frühgeborenen extremer Unreife insbesondere in den ersten Lebenstagen eine Inkubator -Temperatur zwischen 37 und 39 °C plus 60-90% Luftfeuchtigkeit benötigen, um nicht auszukühlen. Frühchen verhalten sich eben eher wie wechselwarme Wesen. Der Wärmeverlust geschieht durch Konvektion (Zugluft), Radiation (Abstrahlung) Evaporation (Verdunstung) und Konduktion (dirkete Abgabe an die Umgebung).
Eine entsprechende Tabelle ist in dem Buch Neonatologie von Hübler und Jorch nachzulesen (Neonatologie: Die Medizin des Früh- und Reifgeborenen von Axel Hübler und Gerhard Jorch).

Bei extremer Unreife spielt der Wärmeverlust über Verdunstung eine große Rolle, weshalb die Befeuchtung der Inkubatorluft eine entscheidende Rolle spielt. Ohne Befeuchtung des Inkubators kann es sehr schwierig sein, die Körpertemperatur konstant zu halten. Je höher die Temperatur im Inkubator eingestellt werden muss, umso wichtiger der Gebrauch von Folien, um den Energieverlust durch Verdunstung zu vermeiden. Mit konsequentem Einsatz eines Foliensäckchens und hoher Inkubatortemperatur (ggf. >38 ° C) kann ein Transport, der nicht zu lange dauert, ohne Auskühlung funktionieren (s. Foto). Entsprechende Folien werden von verschiedenen Herstellern angeboten. Laut Melder war das FG nur unzureichend mit der Folie bedeckt.

Die Atemgaskonditionierung (Befeuchung und Erwärmung des Atemgases), die im vorliegenden Fall nicht verfügbar war, spielt ebenfalls eine große Rolle. Die Atemwege haben eine sehr große Austauschfläche und die Beatmungsfrequenz ist hoch, so dass man auch über die Beatmung einen relevanten Wärmeverlust hat. Wenn ein unreifes Frühchen extubiert wird und die Atemgaskonditionierung an der nichtinvasiven Beatmung weniger effektiv ist, kann man beobachten, dass die Temperatur im Inkubator erhöht werden muss.

Ein technischer Defekt des Inkubators ist eher unwahrscheinlich. Ein derart unreifes Frühgeborenes kann u.U. unter diesen Bedingungen nicht effektiv warmgehalten werden. Der Wärmeverlust ist in diesem Fall die Konsequenz einer unzureichenden Verhinderung des Wärmeverlustes. Dennoch gilt, dass eine so extreme Untertemperatur, wie in diesem Fall beschrieben, sich leider auf die Prognose des Kindes auswirkt und unbedingt vermieden werden muss.
Vom Melder selbst wurden bereits Maßnahmen vorgeschlagen, die nachfolgend mit berücksichtigt sind.

 

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • Erhöhung der Inkubatorgrundtemperatur, Anfrage beim Hersteller für eine Grundeinstellung
  • Eventuell Verzicht auf die nur träge erwärmbare Gelmatte
  • Konsequenter Einsatz von Foliensäckchen
  • Einsatz einer Atemgaskonditionierung
  • Strengste Indikationsstellung für solche Transporte
  • Regelmäßige Aus- und Fortbildung des eingesetzten Personals, hierbei Berücksichtigung der aufgeführten Punkte

 

Weiterführende Literatur

  • Respiratory gas conditioning in infants with an artificial airway, Semin Neonatol 2002; 7: 369–377 doi:10.1053/siny.2002.0131, available online at http://www.idealibrary.com
  • Admission Temperature of Low Birth Weight Infants: Predictors and Associated Morbidities, Abbot R. Laptook, Walid Salhab and Brinda Bhaskar, 12, 2007; Pediatrics 2007;119;e643 DOI: 10.1542/peds.2006-0943 originally published online February 12, 2007
  • Optimizing the Neonatal Thermal Environment, Sherman TI1, Greenspan JS, St Clair N, Touch SM, Shaffer TH. Neonatal Netw. 2006 Jul-Aug;25(4):251-60.

 

Diese Meldung wird inhaltlich verantwortet vom Experten für neonatologische Fragestellungen, Dr. M. Klemme.

 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass nicht jede durch ein AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahme auch durch die Steuerungsgruppe unmittelbar beschlossen werden kann. Nach erfolgter Beratung über die vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. deren Umsetzung und unter Berücksichtigung finanzieller oder rechtlicher Aspekte werden nötigenfalls Änderungen innerhalb der beteiligten Organisationen und Institutionen getroffen. Die Steuerungsgruppe ist in einem solchen Fall immer bemüht, durch Abwandlung der Interventionsmaßnahme eine Umsetzbarkeit herzustellen. Leider ist dies jedoch nicht in jedem Fall möglich.
Bitte beachten Sie auch, dass die Lösungsvorschläge nicht immer bzw. nicht immer zeitnah und in gleicher Form für ganz Bayern umgesetzt werden können.
Aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit sind die von der Steuerungsgruppe beschlossenen Maßnahmen nicht einzeln bei der jeweiligen Meldung aufgeführt, sondern als Übersicht unter Interventionsmaßnahmen.

 

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