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Veröffentlichung des Falls am 06.04.2019

Art des Zwischenfalls

RTW und NEF werden zu einer bewusstlosen Person alarmiert. 1. Rückmeldung 15 Minuten nach Eintreffen: laufende Reanimation, benötigen Bett auf der Intensivstation des nächstgelegenen Klinikums (Versorgungsstufe 2 / überörtliche Schwerpunktklinik, Fahrtzeit knapp 10 Minuten). Zum Zeitpunkt der Patienten-Anmeldung ist die Intensivstation bei der ILS abgemeldet, nicht aber die CPU, das Herzkatheterlabor bzw. die Notaufnahme.
Beim Anruf am Klinikum (1. KH) wird die Aufnahme des Patienten abgelehnt. Die ILS meldet daraufhin den Patienten in einem weiter entfernt gelegenen Krankenhaus (2. KH) auf der Intensivstation an. (Entfernung ca. 20 Minuten Fahrtzeit).
Als RTW und NA über die Zielklinik informiert werden, teilen sie mit, dass der Patient nach einer primär erfolgreichen Reanimation jetzt einen Eigenrhythmus hat, aber kreislaufinstabil ist. Zudem benötigt er lt. NA einen Herzkatheter. Das avisierte (2.) KH hat jedoch zu diesem Zeitpunkt (nach Rücksprache) keine Herzkathetermöglichkeit. Der nächstgelegene Herzkatheter (3. KH) befindet sich in etwa 50 km Entfernung von der Einsatzstelle im benachbarten Rettungsdienstbereich (Fahrtzeit ca. 30 Minuten).
Aus diesem Grund entscheidet sich der Notarzt in Absprache mit der ILS dafür, das ablehnende (1.) KH zur Erstversorgung im Rahmen einer Zwangsbelegung anzufahren. Durch die ILS wird das (1.) KH über die Sachlage informiert, was zu Unverständnis beim Personal der Notaufnahme und des Aufnahmearztes führt. Während des Telefonates haben RTW und NEF das KH aber erreicht. Dem RTW und NA wird vom Personal des KH der Zutritt verweigert und der Rettungsdienst zur Weiterfahrt in ein anderes KH aufgefordert.
Durch die örtlich zuständige ILS wird über die Nachbar-ILS das weit entfernt liegende (3.) KH vorverständigt, wo der Patient dann letztendlich aufgenommen wird.

 

Ursache

Fehlerbegünstigende Faktoren (nach London-Protokoll):

  • organisations‐ und managementabhängig:
    • Im gesamten System Retttungsdienst sind limitierte Ressourcen verfügbar (Betten, Transportkapazität, ILS-Kapazität)
  • aufgaben- und prozessabhängig:
    • Aus der Fallbeschreibung scheint hervorzugehen, dass in dem initial aufnehmenden Klinikum (1. KH) die geltenden Leitlinien und der juristische Rahmen nicht immer präsent waren.
  • teamabhängig:
    • Das präklinische Team und die Leitstelle haben sich um eine optimale Versorgung des Patienten sehr bemüht gezeigt. An der Schnittstelle zum Team der Notaufnahme kam es zu Unstimmigkeiten, deren Lösung vielleicht nicht mit ausreichend Beharrlichkeit (CRM-Prinzip) verfolgt wurde.
  • patientenabhängig:
    • Meldung "Zustand nach Reanimation" könnte mentale Modelle zum konkreten Zustand und Verlauf des Patienten triggern, die nicht zwingend mit der klinischen Realität dieses konkreten Patienten übereinstimmen.

Fehlerhafter Vorgang:

  • Dem aufnehmenden Krankenhaus (1. KH) ist ein Fixierungsfehler unterlaufen, der die ablehnende Haltung begründete und dadurch den Patienten unnötig in Gefahr gebracht hat.
  • Im 1. KH hätte nach Abwägung des klinischen Zustandes des Patienten ggf. eine Erstversorgung (HKL-Intervention) stattfinden können. Die Entscheidung über Intensivpflichtigkeit nach Abschluss der Intervention sowie über vorhandene Kapazitäten oder ggf. Verlegung hätte man nach Behebung der kausalen Ursache des vermuteten ACS treffen können.

Erkennbar implementierte Barriere‐/Abwehrmechanismen:
Erfolgreiche Bemühungen des ILS in Zusammenarbeit mit dem präklinischen Team, den Patienten in ein geeignetes Krankenhaus zur Versorgung zu verbringen.

 

Ergänzende Ausführungen:
Im vorliegenden Fall hat sich das 1. KH selbst die Eignung zur Versorgung abgesprochen, was je nach Einzelkonstellation der Faktoren bis hin zu einem juristisch relevanten Verhalten interpretiert werden könnte.
Entsprechend den aktuellen Leitlinien zur Postreanimationsbehandlung sollte bei einer ST-Hebung eine Herzkatheteruntersuchung erfolgen, bei fehlender ST-Hebung eine Computertomographie durchgeführt sowie eine Hypothermiebehandlung eingeleitet werden. Hierfür wäre wahrscheinlich der Schockraum des 1. KH bei Verfügbarkeit geeignet gewesen.

Für diesen Fall werden erkennbar folgende CRM-Prinzipien als relevant betrachtet:

  • Verhindere und erkenne Fixierungsfehler
  • Setze Prioritäten dynamisch
  • Re-evaluiere die Situation immer wieder neu

Der Ablauf beschreibt einen relativ typischen Fixierungsfehler, bei dem basierend aus dem Meldebild "Zustand nach Reanimation" eine sofortige Intensivpflicht abgeleitet wird. Im dargestellten Fall hätte vermutlich eine kausale Ursache im 1. KH diagnostiziert und ggf. behandelt werden können. Eine konsequente Fortführung des Gedankens, der zur Ablehnung des Patienten geführt hat, würde als Konsequenz bedingen HKL-Interventionen nur noch durchzuführen, wenn über die gesamte Dauer der Intervention freie ITS-Kapazitäten garantiert sind. Dies dürfte eine erhebliche Konzentration der HKL-Kapazitäten auf Maximalversorger bedingen.

 

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • Im Idealfall sollten solche Fälle eine Nachbesprechung mit allen Beteiligten erfahren, zumindest aber eine Besprechung des zuständigen ÄLRD mit dem aufnehmenden Krankenhaus, damit sich solche Fälle zum Wohle Aller nicht wiederholen. Auch der vom Melder beschriebene eingeschlagene Dienstweg sollte die Einbindung ÄLRD involvieren, da dieser die qualitätssichernde Stelle im ärztlichen Rettungsdienst darstellt.
  • Zusätzlich sollte eine Schulung der CRM-Prinzipien helfen, in der jeweiligen kritischen Situation eine tragfähige Lösung im Sinne des Patienten zu erreichen, die alle Beteiligten involviert.

 

Diese Meldung wird inhaltlich verantwortet vom Leiter des AAT 4, Prof. Dr. K.-G. Kanz.

 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass nicht jede durch ein AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahme auch durch die Steuerungsgruppe unmittelbar beschlossen werden kann. Nach erfolgter Beratung über die vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. deren Umsetzung und unter Berücksichtigung finanzieller oder rechtlicher Aspekte werden nötigenfalls Änderungen innerhalb der beteiligten Organisationen und Institutionen getroffen. Die Steuerungsgruppe ist in einem solchen Fall immer bemüht, durch Abwandlung der Interventionsmaßnahme eine Umsetzbarkeit herzustellen. Leider ist dies jedoch nicht in jedem Fall möglich.
Bitte beachten Sie auch, dass die Lösungsvorschläge nicht immer bzw. nicht immer zeitnah und in gleicher Form für ganz Bayern umgesetzt werden können.
Aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit sind die von der Steuerungsgruppe beschlossenen Maßnahmen nicht einzeln bei der jeweiligen Meldung aufgeführt, sondern als Übersicht unter Interventionsmaßnahmen.

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