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Veröffentlichung des Falls am 29.11.2017
Aktualisierung des Falls am 23.03.2018: Interventionsmaßnahmen ergänzt

Art des Zwischenfalls

Bei der Versorgung eines Notfallpatienten mit akutem STEMI sowie einer starken Schmerzsymptomatik (10/10 NRS) arbeiteten NEF und RTW aus unterschiedlichen Rettungsdienstbereichen (RDB) zusammen. Aufgrund der starken Schmerzen war der Einsatz von Morphin aus den Beständen des NEF nötig, der RTW hatte keine Betäubungsmittel dabei. Die Voranmeldung für das nächstgelegene Herzkatheterlabor lief parallel über die zuständige ILS sowie via Telemetrie des 12-Kanal EKG mit deutlichem STEMI.

Bei Eintreffen am Zielkrankenhaus wurde die Besatzung vom diensthabenden Internisten abgefangen und gebeten, ein anderes PCI-Zentrum anzufahren, da das Katheterlabor kurzfristig für die nächste Zeit belegt sei.  Aufgrund dieser Informationen wurde über die ILS das nächste freie Katheterlabor abgefragt. Jedoch war die EKG Telemetrie an das neue Zentrum nicht möglich, da dieses in der Vorauswahl des NIDA Pads nicht verfügbar war. Die Anmeldung erfolgte daher über das private Mobiltelefon des Notarztes als Arzt-Arzt Gespräch.

Aufgrund der verlängerten Fahrzeit und der wieder zunehmenden Schmerzsymptomatik, von 3/10 auf 7/10, war die erneute Gabe von Morphin nötig. Da auf dem RTW keine BTM mitgeführt werden, mussten diese vom NEF, das mit Sondersignal gefolgt war, entnommen werden. Der Transport in das nächste aufnahmebereite PCI-Zentrum dauerte nochmals eine längere Zeit. Es war hierbei die wiederholte Morphingabe erforderlich. Die Vitalparameter des Patienten blieben aber stabil. Die Übergabe erfolgte reibungslos und zügig, so dass zumindest die door-to-ballon Zeit kurz gehalten werden konnte.

 

Ursache

Bei dieser Meldung lassen sich zwei Kernprobleme identifizieren:

Kommunikation und Voranmeldung

Zum einen werden hier sowohl technisch bedingte als auch verfahrensbedingte Kommunikationsdefizite bei der Anmeldung einer Tracerdiagnose aufgezeigt, die letztlich zu einer - zumindest teilweise vermeidbaren - erheblich verzögerten Versorgung eines STEMI-Patienten (deutlich verlängerte contact-to-balloon-Zeit) führen.

Positiv zu erwähnen ist, dass bei der eigentlichen Zielklinik sowohl eine Erstanmeldung über die ILS als auch gleichzeitig eine 12-Kanal-EKG Übertragung direkt über das NIDApad in die Klinik erfolgte. Warum es nicht zeitnah zu einer Rückmeldung an das Rettungsdienstpersonal wegen fehlender Behandlungskapazität kam lässt sich aus der Schilderung nicht entnehmen.  Für die diesbezügliche Kommunikation ist sicher insbesondere bei Tracer-Diagnosen die Etablierung einer abgestimmten und konsequent angewandten standardisierten Verfahrensweise zielführend.

Zum Beispiel hätte auch ein zusätzlich zum Anmeldeprocedere fest etabliertes Arzt-Arzt-Gespräch, wie in einigen Bereichen bei der Diagnose STEMI eingeführt, die fehlenden Versorgungsmöglichkeiten evtl. früher aufdecken können. Es sind sowohl über die ILS initiierte und vermittelte Arzt-Arzt-Gespräche als auch die automatische Versendung der Diensthandynummer des Rettungsmittels auf dem übermittelten 12-Kanal-EKG für einen direkten Rückruf durch den Kardiologen bekannt. Konsequenzen in Abhängigkeit des Patientenzustands hätten dann auch frühzeitig abgestimmt werden können.

Die telemetrische Anmeldung bei der 2. Zielklinik war wegen fehlender Auflistung im vorhandenen NIDApad in diesem Fall gar nicht möglich. Dieser Umstand wurde durch das unkonventionelle Vorgehen mit dem Privattelefon des Notarztes zumindest teilweise kompensiert. Die Anmeldung eines STEMI sollte jedoch wenn immer möglich zumindest mit der Übermittlung eines 12-Kanal-EKGs an die Klinik einhergehen. Die telemetrische Übermittlung weiterer Daten wäre möglicherweise hilfreich, ist aber abhängig von der jeweiligen technischen Ausstattung der jeweiligen Klinik. Die Auswahl der Auflistung der Zielkliniken im NIDApad erfolgt regional. Hier wäre zu fordern, dass für Tracer-Diagnosen auch Zentren im weiteren Umfeld aufgenommen werden, auch wenn diese selten kontaktiert werden müssen.

Medikamentöse Ausstattung:

Nach dieser Schilderung arbeiten hier zwei Rettungsmittel aus unterschiedlichen Rettungsdienstbereichen zusammen, die eine differente Ausstattung mit Notfallmedikamenten haben, was zu zusätzlichem Kommunikationsaufwand unter Zeitdruck und in diesem Fall wohl auch zu einer zumindest gering verzögerten Behandlung führt. Hier hätte ggf. vor Transportbeginn eine Abstimmung zu ggf. erforderlichen und tatsächlich vorhandenen Medikamenten und Geräten stattfinden können.

Die fehlende Vorhaltung von Opiaten auf dem Rettungswagen entspricht allerdings auch nicht der aktuellen bayerischen Empfehlung zur Vorhaltung eines einheitlichen Basissatzes an Notfallmedikamenten auf Rettungswägen und arztbesetzten Rettungsmitteln. Bei konsequenter Umsetzung dieser bereits seit 10/2015 verabschiedeten Empfehlung wäre dieses Problemfeld bereits gelöst..

 

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • Insbesondere bei Tracer-Diagnosen könnte ein abgestimmtes regionales Vorgehen für die Anmeldung einschl. frühzeitiger aktiver Rückmeldung bei fehlender Behandlungskapazität etabliert werden.
  • Weiterhin könnte bei Tracer-Diagnosen ein über die ILS vermitteltes Arzt-Arzt Gespräch fest etabliert werden.
  • PCI-Zentren in deutlich erweitertem Umkreis könnten in die Zielkliniks-Adresslisten der NIDA Pads aufgespielt werden (dies könnte auch für Stroke-Units und überregionale Traumazentren erfolgen).
  • Der Umsetzungsgrad der Rettungsdienstausschuss-Empfehlungen könnte erhöht werden.
    Hier: Vorhaltung der empfohlenen Basisausstattung von Notfallmedikamenten auf RTW und arztbesetzten Rettungsmitteln.

 

Von der Steuerungsgruppe am 13.03.2018 beschlossene Interventionsmaßnahmen

  • Bestehende Regelungen und Empfehlungen (wie ARGE Herzinfarktnetzwerke, ILSG, BayRDG, AVBayRDG, Empfehlung des RDA zur Medikamentenvorhaltung) sollten beachtet werden.
  • Zudem wird bezüglich des geschilderten Falles die regionale Klärung unter Federführung des zuständigen ÄLRD empfohlen.

 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass nicht jede durch ein AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahme auch durch die Steuerungsgruppe beschlossen werden kann. Die Ursache hierfür ist in der Regel fehlende Umsetzbarkeit aus finanziellen oder rechtlichen Gründen. Die Steuerungsgruppe ist in einem solchen Fall bemüht, durch Abwandlung der Interventionsmaßnahme eine Umsetzbarkeit herzustellen. Auch dies ist jedoch nicht in jedem Fall möglich.

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