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Veröffentlichung des Falls am 15.09.2018

Art des Zwischenfalls

Bei einem Verkehrsunfall mit mehreren Verletzten bestanden Unklarheiten/Unstimmigkeiten zwischen Rettungsdienst, ILS und Zielkliniken, welche und wie viele Patienten in das lokale (LTZ) sowie in das regionale (RTZ) Traumazentrum verbracht werden (u. a. Unklarheit über die Aufgabenstellung für LTZ im Hinblick auf die parallele Schockraumversorgung von zwei oder mehr Patienten, unterschiedliche Sichtweisen in Bezug auf eine parallele Schockraumversorgung im LTZ).

In einer weiteren Meldung wurde die Frage nach einem bayernweit einheitlichen Vorgehen für „Schockraumpatienten“ aufgeworfen. Außerdem wurde die Differenzierung „Polytrauma A/B“ (Definition s. unten) aufgegriffen und u. a. zur Diskussion gestellt, ob Polytrauma B-Patienten sitzend transportiert werden dürfen, ob sie auch nacheinander im Schockraum aufgenommen werden können und wie generell mit Polytrauma B-Patienten umgegangen werden soll hinsichtlich Belegung von Schockräumen.

 

Anmerkung

In wie weit im ersten Fall innerhalb des Traumnetzwerkes Vereinbarungen und Regeln, die über die S3-Leitline Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung (2016) bzw. das Weißbuch Schwerverletztenversorgung (2012) hinausgehen, vorliegen kann nicht beurteilt werden [1, 2].

Im Weißbuch Schwerverletztenversorgung wird unter den Aufgaben eines überregionalen Traumazentrums (ÜTZ) ausgeführt: "Es müssen mindestens zwei Schwerverletzte parallel definitiv versorgt werden können." Für LTZ bzw. RTZ finden sich keine Ausführungen zu einer gleichzeitigen Versorgung von Patienten im Schockraum. Damit ist davon auszugehen, dass LTZ/RTZ grundsätzlich nicht mehr als einen Schockraumpatienten gleichzeitig versorgen können und nur nach regionaler Absprache (ÄLRD - ILS – RTZ/LTZ) und/oder in Einzelfällen nach Absprache zwischen ILS und Klinik mehr als einen Schockraumpatienten versorgen können.

In der S3-Leitlinie Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung (Stand 07/2016) wird ausgeführt, dass die Versorgung schwer bzw. mehrfach verletzter Patienten im Schockraum aufgrund der hohen Komplexität der Einzelprozesse eine hohe Anforderung an das Behandlungsteam bzw. an die bereitgestellten Ressourcen darstellt. Während bei der Untertriage eine Gefährdung der Patientensicherheit entsteht, ist die Übertriage mit erheblichen Kosten und einer oftmals erheblichen Unterbrechung der Routineabläufe in Kliniken verbunden [1]. 

In mehreren bayerische Traumanetzwerken wird die Anmeldung schwer bzw. mehrfach verletzter Patienten in den Traumazentren deshalb abgestuft auf Grundlage der Vitalparameter bzw. des Verletzungsmusters (Empfehlungsgrad A) sowie des Unfallmechanismus (Empfehlungsgrad B) durchgeführt [1].

Bei den folgenden Verletzungen soll das Trauma-/Schockraumteam aktiviert werden (Empfehlungsgrad A):

  • GCS unter 9 nach Trauma
  • Atemstörungen/Intubationspflicht nach Trauma
  • systolischer Blutdruck unter 90 mmHg (altersadaptiert bei Kindern) nach Trauma
  • Vorliegen von penetrierenden Verletzungen der Rumpf-Hals-Region
  • Vorliegen von Schussverletzungen der Rumpf-Hals-Region
  • offene Schädelverletzungen
  • Querschnittsverletzung
  • instabiler Thorax
  • Beckenfrakturen
  • Frakturen von mehr als 2 proximalen Knochen
  • Amputationsverletzung proximal der Hände/Füße
  • Verbrennungen > 20 % und Grad ≥ 2b

Bei den folgenden zusätzlichen Kriterien sollte das Trauma-/Schockraumteam aktiviert werden (Empfehlungsgrad B):

  • Sturz aus über 3m Höhe
  • Verkehrsunfall (VU) mit
    • Frontalaufprall mit Intrusion von mehr als 50–75 cm
    • einer Geschwindigkeitsveränderung von delta > 30 km/h
    • Fußgänger-/Zweiradkollision
    • Ejektion eines Insassen
    • Tod eines Insassen
  • (oder anderer vergleichbarer Unfallmechanismus, z. B. Unfall mit Großtieren)

Die Anmeldung in den Traumzentren durch die ILS erfolgt somit bei 

  1. schwer bzw. mehrfach verletzter Patienten entsprechend den Aktivierungskriterien mit dem Empfehlungsgrad A oder relevanten ABCDE-Problemen mit den Schlagworten Polytrauma A mit SHT bzw. Polytrauma A ohne SHT, schweres SHT (GCS unter 9), Schussverletzung, Stichverletzung, Querschnitt etc.
  2. potentiell schwer bzw. mehrfach verletzter Patienten entsprechend den Aktivierungskriterien mit dem Empfehlungsgrad B oder vergleichbaren Unfallmechanismen ohne relevante ABCED-Probleme mit dem Schlagwort Polytrauma B.

Bei der Anmeldung Polytrauma B durch die Leitstelle bzw. den Rettungsdienst können die Traumazentren den Umfang ihrer Schockraumteams sowie die Unterbrechung ihrer Routineabläufe entsprechend adaptieren.

 

Vom AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahmen

  • In wieweit eine parallele Versorgung von mehr als einem potentiell schwer bzw. mehrfach verletzten Patienten (Polytrauma B) in LTZ bzw. RTZ erfolgen kann, könnte entweder vorab durch den ÄLRD zwischen der ILS und den LTZ bzw. RTZ vereinbart oder ggf. im Einzelfall durch die ILS mit den LTZ bzw. RTZ abgesprochen werden.
  • Sinnvoll erscheint eine bayernweite Umsetzung der abgestuften Schockraumanmeldung entsprechend den obigen Schlagwörtern
    • Polytrauma A mit SHT
    • Polytrauma A
    • Polytrauma B
  • Es könnte zudem eine regionale Vereinbarung für das Schlagwort Polytrauma B in Bezug auf eine parallele Versorgung von entsprechenden Patienten getroffen werden.

 

Literatur

  1. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/012-019.html
  2. http://www.dgu-online.de/fileadmin/published_content/5.Qualitaet_und_Sicherheit/PDF/20_07_2012_Weissbuch_Schwerverletztenversorgung_Auflage2.pdf

 

Von der Steuerungsgruppe am 23.10.2018 beschlossene Interventionsmaßnahmen

 

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass nicht jede durch ein AAT vorgeschlagene Interventionsmaßnahme auch durch die Steuerungsgruppe beschlossen werden kann. Die Ursache hierfür ist in der Regel fehlende Umsetzbarkeit aus finanziellen oder rechtlichen Gründen. Die Steuerungsgruppe ist in einem solchen Fall bemüht, durch Abwandlung der Interventionsmaßnahme eine Umsetzbarkeit herzustellen. Auch dies ist jedoch nicht in jedem Fall möglich.

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